HWB Handelsverband Wohnen und Büro 10.06.2020

Mehrwertsteueränderung nicht überstürzt umsetzen

Für eine Branche mit unverbindlichen Verbraucherpreisempfehlungen (UVP) sind Mehrwertsteueränderungen ein Alptraum. Drei Monate braucht es, bis tausende neuer Preise ermittelt und am POS umgesetzt sind. Diesmal gibt die Regierung dafür nur drei Wochen Zeit. Und das für eine nur sechsmonatige Steuerminderung. Deshalb warnt der Handelsverband Wohnen und Büro jetzt vor Problemen bei der Absenkung von UVP.

Thomas Grothkopp, Geschäftsführer, Handelsverband Wohnen und Büro
Thomas Grothkopp, Geschäftsführer, Handelsverband Wohnen und Büro

Der Wille des Gesetzgebers ist, dass mit 20 Milliarden Euro Steuerverzicht die Nachfrage der Konsumenten angeregt wird. Der Anteil des Einzelhandels beträgt sechs Milliarden Euro. Den weitaus größeren Teil machen Energie und Versorgung, Dienstleistungen, Reisen und die Automobilbranche aus, wo es zu mehreren Hundert Euro Entlastung pro Neuwagen kommt. Hier muss von einer Abwrackprämie durch die Hintertür gesprochen werden.

Für den Einzelhandel bedeutet die Steuersenkung einen extrem hohen administrativen Aufwand. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat wichtige Punkte klargestellt: Wer die Preisreduzierung so schnell nicht am Artikel, an der Verpackung oder im Regal ändern kann, könnte die Senkung pauschal an der Kasse vornehmen. Die Preisangabenverordnung dürfte bei einem niedrigeren Kassenpreis unkritisch sein. Viel kritischer aber ist, dass drei Prozentpunkte Mehrwertsteuersenkung gar nicht drei Prozent Preisreduktion ausmachen. Vielmehr sind es nur 2,52 Prozent. Das aber wird keinem Kunden zu vermitteln sein. Wer also an der Kasse drei Prozent abzieht, schmälert seine Marge um 0,48 Prozent. Und aufgepasst: Für preisgebundene Artikel wie Zeitschriften und Bücher darf an der Kasse gar kein Rabatt gegeben werden.

Die Preisneuauszeichnung aller Produkte ist allerdings ein nicht zu leistender Aufwand, zu dem der Handel, der die Preishoheit hat, auch nicht verpflichtet ist. Großunternehmen gehen von einem zweistelligen Millionenbetrag aus, den sie neue Preise kosten würde. Und das gleich zweimal, im Juni und im Dezember, bevor die Mehrwertsteuer wieder 19 bzw. 7 Prozent betragen wird.

Die Gastronomie sieht die Mehrwertsteuersenkung bei ausgegebenen Speisen als Unterstützungsmaßnahme für ihre hohen, schließungsbedingten Kosten an. Im aktuellen Konjunkturpaket ist von einer Stützung des durch Schließung geschädigten Einzelhandels keine Rede. Doch kann der Gesetzgeber mit dieser Maßnahme wegen der Pflicht zur Bruttopreisauszeichnung nicht in die Preisgestaltung eingreifen.

Kritisch stellt sich die Konjunkturmaßnahme bei unverbindlichen Verbraucherpreisempfehlungen (UVP) dar. Die Artikelpreise sind hier eine Kombination aus Kalkulation, psychologischen Preisaspekten und Preiswettbewerb. Jeder einzelne Preis muss „angefasst“, hinsichtlich Preisschwellen bedacht werden. Diese Maßnahme will gut überlegt sein. Zumal aus Handelssicht vorübergehend geänderte UVP nicht wirklich zielführend sind und der administrative Aufwand gar nicht zu leisten ist.

Im Auftrag des Handels kommen viele Artikel samt Verpackung bereits mit EAN-Code und UVP-Preisen an. Diese Preisangaben stehen in Leaflets, Preislisten und Katalogen, die alle neu gedruckt werden müssten. Die Preise müssen in die Warenwirtschaften übermittelt werden. In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli muss der Handel – quasi ohne Vorlauf – die UVP-Preisangaben im Geschäft neu etikettieren. „Hier lauert eine immense Gefahr, denn durch ungültige UVP-Angaben droht ab dem 1. Juli eine Abmahnwelle“, warnt Thomas Grothkopp, Geschäftsführer des Handelsverbandes, für den es die dritte MwSt.-Änderung seiner beruflichen Laufbahn ist. „Allein unter diesem Aspekt wäre es hilfreich, wenn die Lieferanten die UVP unverändert lassen und der Handel die Preissenkung vornimmt.“ Grothkopp weist darauf hin, dass sich aus der Steueränderung keine Verpflichtung zur UVP-Änderung ergibt.
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