Wie Ihre Stimme Ihre Überzeugungskraft schmälert

Die Stimme ist mehr als ein reines Kommunikationsmittel – sie beeinflusst, wie wir wahrgenommen werden. Anja Kuhn beleuchtet, wie wir unsere stimmliche Präsenz gezielt nutzen können, um Inhalte kraftvoll zu vermitteln und unsere Zuhörer nachhaltig zu beeindrucken.

„Ich kann dich riechen“, hat sicherlich der eine oder andere schon einmal gedacht oder gesagt. Oft geht es dabei eher um die Chemie zwischen zwei Menschen als um ein teures Parfum. „Ich kann dich gut hören“ sagen wir dagegen eher selten – dabei spielt die Stimme in der zwischenmenschlichen Chemie eine bedeutende Rolle.

Vergangene Woche saß ich mit einigen Bekannten gemütlich in einem griechischen Restaurant. Die Teller waren leer, der Geräuschpegel hoch. Unerwartet kam das Gespräch auf meinen Podcast, und eine Bekannte in der Runde meinte: „Wenn der Tag richtig heftig war und meine beiden Mädels endlich im Bett liegen, dann mache ich mir Anjas Podcast an. Ihre Stimme holt mich sofort runter, und ich kann endlich entspannen.“

Ich gebe zu, dass ich mich geschmeichelt fühlte – und immer noch fühle. Über meine Stimme habe ich mir eigentlich nie besonders viele Gedanken gemacht. Ok, das ein oder andere Mal sagte jemand zu mir, er höre mir gerne zu, doch ich habe das nie groß bewertet und das Kompliment eher meiner Geschichtenliebe zugeschrieben.
Seit ich meinen Podcast veröffentliche, höre ich das öfter und habe mich gefragt, wie ich selbst auf Stimmen reagiere. Einen Podcast, den ich inhaltlich wirklich spannend fand, musste ich aus meiner Liste löschen, weil ich der Moderatorin einfach nicht zuhören konnte. Ihre Stimme war für meine Ohren zu hoch und schrill, sodass sie mich so sehr nervte, dass ich mich überhaupt nicht auf die wertvollen Inhalte konzentrieren konnte.
Als ich dann die Stimme von „Susi“ aus „Nur die Liebe zählt“ in meinem Podcast zu Gast hatte, habe ich mich noch intensiver mit der Wirkung von Stimmen beschäftigt. Diese Stimme ist bekannt – und auch wenn die Sendung seit Jahrzehnten nicht mehr läuft, gilt sie bis heute als Synonym für eine verführerische weibliche Stimme.

Manchmal schließe ich bewusst die Augen, um mich voll und ganz auf die Stimmwirkung meines Gegenübers zu konzentrieren. So zum Beispiel neulich, als ich eine Kundin für ein Podcast-Gespräch coachte. Es war ihr erstes öffentliches Interview, und sie wollte sich perfekt vorbereiten. Sie hatte die Fragen im Vorfeld erhalten und ihre Antworten schriftlich vorbereitet. Während sie sprach (wir hatten ein Online-Meeting), schloss ich die Augen, um herauszufinden, ob ihre Antworten abgelesen klangen. Außerdem wollte ich hören, wie viel Leidenschaft für ihren Beruf mitschwang oder ob Nervosität sie mechanisch sprechen ließ. Das tat sie nicht.

Man hört die Leidenschaft für das, was wir erzählen, nämlich heraus. Unsere Stimme klingt dann lebendiger und mitreißender – und genau das kann das Zünglein an der Waage sein, ob wir überzeugend wirken. Unsere Stimme ist einzigartig und ein essenzieller Teil unserer persönlichen Wirkung. Wir werden mit ihr geboren, doch sie kann sich verändern. Damit meine ich nicht nur den Stimmbruch bei Jungen in der Pubertät oder den Einfluss von Zigaretten und Alkohol.

Unsere Stimme klingt morgens anders als abends und kann sich durch unsere Körperhaltung oder äußere Rahmenbedingungen ändern. Wenn wir früh morgens aufstehen und noch nicht gesprochen haben, klingt die Stimme bei vielen stumpf und ein wenig belegt. Vor einem wichtigen Gespräch am Morgen rufe ich entweder jemanden an oder spreche laut mit mir selbst, um meine Stimmbänder geschmeidig werden zu lassen – so klingt meine Stimme im Gespräch wohlklingender.

Wenn ich viel spreche – etwa bei einem mehrstündigen Seminar – habe ich immer Salbei-Bonbons dabei und trinke viel stilles Wasser und Tee. Sprudelndes Wasser verursacht nicht nur das bekannte Blubbern im Magen, sondern kann auch die Stimme aufrauen. Ich richte mich bewusst auf und straffe die Schultern, bevor ich zu sprechen beginne. So bleibt mein Oberkörper gerade, und die Luft kann beim Atmen ungehindert ein- und ausströmen.

Wir können unsere Stimme gezielt einsetzen, um dem, was wir sagen wollen, Wirkung zu verleihen. Bewusstes Laut- oder Leisesprechen unterstreicht unsere Inhalte und kann dafür sorgen, dass eine Aussage sanft wie eine Feder oder knallhart wie ein Peitschenschlag klingt. Eine strategisch platzierte Pause erzeugt Spannung und lässt das Gesagte beim Zuhörer sacken.

Doch genauso, wie wir unsere Stimme nutzen können, um unsere Überzeugungskraft zu verstärken, können wir unsere Inhalte auch zunichtemachen. Unmotiviertes Aufsagen, monotones Aufzählen, undeutliche Aussprache oder genuschelte Silben schmälern das, was wir sagen wollen.

Das kann schneller passieren, als uns lieb ist. Nach langen Meetings oder Phasen, in denen wir nur zuhören und keinen Redeanteil hatten, lässt oft die Konzentration nach, und wir achten nicht mehr bewusst darauf, wie wir sprechen. Das scheint auf den ersten Blick nicht dramatisch zu sein, doch genau das kann der Moment sein, in dem unsere Überzeugungskraft – und damit der Ausgang des Gesprächs – ins Unerwünschte kippt.

Deshalb mein Rat: Achten Sie bewusst auf Ihre Stimme und Ihr Sprechen. Wenn Sie in einer Präsentation oder Rede bestimmte Inhalte hervorheben wollen, markieren Sie sich die entsprechenden Stellen im Text.

Ein Punkt ist besonders wichtig: Üben Sie diese Passagen. Je besser Sie darauf vorbereitet sind, Ihre Überzeugungskraft mit Hilfe Ihrer Stimme zu stärken und Ihre Professionalität zu unterstreichen, desto wirkungsvoller werden Sie auftreten.

Für eine klare Aussprache gibt es einen wunderbaren Trick, den viele Menschen nutzen, die täglich mit ihrer Stimme arbeiten: Nutzen Sie einen Sektkorken und trainieren Sie damit Ihre Artikulation. Auch ein Klassiker hilft: Fischers Fritz fischt frische Fische…
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