Messekommunikation als Hochleistungssport?
Anja Kuhn beleuchtet in dieser Ausgabe die Kunst der Messekommunikation, die einem athletischen Siebenkampf gleicht – ein dynamisches Feld, das Ausdauer, Geschicklichkeit und strategisches Denken erfordert. Sie entführt uns in die Welt der Messevorbereitung und -durchführung.
Im Januar bereiten sich Aussteller:innen und Besucher:innen auf die ersten Messen des Jahres vor. Ich finde, dass ein Messebesuch einem Siebenkampf in der Leichtathletik gleicht, dessen Disziplinen wir unterschiedlich trainieren müssen.
Ich erinnere mich noch sehr gut und gerne an die Zeit, als ich den jährlichen Messestand für die Paperworld konzipiert und organisiert habe. Wenn die Materialien gepackt waren und der Aufbau endlich losging, breitete sich in mir eine Mischung aus Aufregung, Anspannung und Vorfreude aus.
Dieses Gewusel in den Hallen, der Lärm der Aufbauteams und die Kälte, die im Januar durch die offenen Hallentoren kroch – all das gehörte dazu. Wenn es dann endlich soweit war, der Stand fertig und abgenommen auf die Besucher wartete, wich die Anspannung der Freude. Freude auf die Besucher, die Gespräche und die Lust auf das Präsentieren von neuen Produkten und Dienstleistungen.
Wenn alles vorbei war, fühlte ich mich jedes Jahr wie erschlagen. Körperlich und mental. Mein Kopf war leer und ich konnte kaum noch einen klaren Satz herausbringen. Schade, dass ich damals noch keinen Schrittzähler hatte, das hätte meinem heutigen Trainingsplan sicher gutgetan!
Damit bin ich schon bei der ersten Messe-Disziplin: Laufen. Über das Messegelände laufen, von Stand zu Stand flanieren und auf den Ständen die einzelnen Exponate und Produkte zu betrachten – da kommt ganz schön etwas an Schritten zusammen. Deshalb ist es ungemein wichtig, bequeme Schuhe einzupacken, denn ein Messebesuch mit schmerzenden Füßen macht nicht besonders viel Freude und lässt im Laufe des Tages die Konzentration schwinden. Der Betonboden trägt sein Übriges dazu bei.
Die zweite Disziplin – Tragen – hat sich durch digitale Werbemittel ein wenig verändert. Die Zahl der Flyer, Broschüren und Kataloge, die von der ersten bis zur letzten Minute getragen werden müssen, ist inzwischen nicht mehr so groß.
Die dritte und für mich wichtigste Disziplin ist: Reden. Sie teilt sich meiner Meinung nach den Rang mit der vierten Disziplin: Zuhören. Bei beiden Disziplinen geht es nicht nur um das Reden und das Zuhören an sich. Es geht darum, das
Richtige in den richtigen Momenten zu sagen und beim Zuhören die wichtigen Informationen herauszufiltern.
Ich bin davon überzeugt, dass diese beiden Disziplinen am wenigsten trainiert werden, denn die meisten Menschen gehen davon aus, dass sie sie aus dem FF beherrschen. Aber: Ist das wirklich so? Die Informationsflut auf allen Kanälen hat unsere Konzentrationsfähigkeit stark reduziert. Gleichzeitig ist die Kommunikation auf einer Messe etwas Besonderes. Selten haben wir die Chance, so viele persönliche Gespräche in kurzer Zeit zu führen und sie gezielt für uns und unseren Erfolg zu nutzen.
Wie ist das bei Ihnen? Bereiten Sie sich auf Ihren nächsten Messebesuch vor? Trainieren Sie Ihre Kommunikationsfähigkeiten oder vertrauen Sie darauf, dass es gut läuft? Sind Sie auf die Herausforderung und die Dauergespräche vorbereitet? Stellen Sie die richtigen Fragen und können Sie gut zuhören?
Ich habe eine wichtige Frage an die Ausstellenden unter Ihnen: Sind Sie von Ihren Produkten und Leistungen so begeistert, dass Sie auch am dritten Messetag Ihre Besuchenden noch mit Ihrer Begeisterung anstecken? Den Messebesuchenden stelle ich die Frage: Wie offen sind Sie für die vielen Informationen? Schaffen Sie es nach dem fünften Gespräch, das bis dahin gehörte beiseitezuschieben und sich auf das Neue zu fokussieren? Das ist gar nicht so leicht, denn unsere Konzentrationsfähigkeit lässt immer mehr nach.
Training und Begeisterung sind auch für die fünfte Disziplin wichtig: Begrüßung. Wie sich zwei Menschen zum ersten Mal in einer Situation begegnen, entscheidet über den weiteren Verlauf der Beziehung. Auch wenn Sie sich vielleicht schon kennen, kann bei einem erneuten Aufeinandertreffen Mimik und Händedruck das Gespräch beeinflussen.
Wir reagieren intuitiv auf die Körpersprache und die Mimik unserer Gegenüber. Ist unser Gesprächspartner verspannt, zurückhaltend und müde, beginnen wir das Gespräch völlig anders, als wenn er mit einem offenen Lächeln und einem lockeren Gang auf uns zukommt. Wir passen uns automatisch an und spiegeln sein Verhalten.
Wir können uns mit ein wenig Training auch auf diese Situation vorbereiten und üben, die Menschen für uns zu gewinnen und eine anfangs zurückhaltende Konversation mit einem Eisbrecher und einem offenen Lächeln auflockern.
Das Lächeln sehe ich deshalb als sechste Disziplin. Es spielt eine wichtige Rolle, wenn wir einen Menschen für uns gewinnen wollen. Sie können es trainieren und dafür habe ich einen tollen Tipp für Sie: Sicher haben Sie auf der Messe einen Stift griffbereit. Wenn Sie merken, dass Ihr Lächeln im Laufe des Tages einfriert und alles andere als locker über die Lippen kommt, ziehen Sie sich kurz zurück, wo Sie unbeobachtet sind. Nehmen Sie den Stift hervor und legen ihn für 60 Sekunden waagerecht zwischen die Zähne. Sie werden spüren, wie sich Ihre kompletten Gesichtsmuskeln entspannen. Das Lächeln kommt nun wie von selbst. Wenn Sie diese Übung vor einem Spiegel durchführen, erst recht.
Ich lege auch den Standbesuchern ans Herz: Zeigen Sie Ihr Lächeln, wenn Sie einen Stand betreten. Entspannen Sie sich und fokussieren Sie sich ganz bewusst auf die neue Situation. Sie werden spüren, wie sich Ihr Gang, Ihre Kontaktaufnahme und das Gespräch verändert.
Die siebte Disziplin heißt: Nacharbeiten. Haben Sie hierfür einen konkreten Trainingsplan? Was machen Sie als erstes, wenn Sie voll mit Eindrücken von der Messe zurück sind? Oder haben Sie schon nach dem ersten Tag Ihre Social-Media-Follower mit auf die Messe genommen und die neuesten Produkte, Messehighlights und Entdeckungen gezeigt?
Ich weiß, es ist wirklich herausfordernd, alle Disziplinen gleichermaßen zu beherrschen. Auch ein Leichtathlet hat Disziplinen, die ihm leichter fallen als andere. Genau deshalb ist auch das Training von vermeintlich alltäglichen Abläufen so wichtig.
Dazu passt dieses Zitat von Bruce Lee recht gut: Ich fürchte nicht den Mann, der 10 000 Kicks einmal geübt hat, aber ich fürchte mich vor dem, der einen Kick 10 000-mal geübt hat.
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