Die Familienbande
Mit ihrem Fachgeschäft Papiri ist es einem jungen Paar in Ober-Ramstadt, Stadtteil Modau, gelungen, den Laden im Ort zum sozialen Treffpunkt für Jung und Alt zu machen. Die Stärken des stationären Handels waren dabei ausschlaggebend
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Deutschland ist eine Gesellschaft in Bewegung, und Mobilität spielt eine große Rolle. Ob Heirat oder neuer Job – oft sind private Motive für einen Umzug verantwortlich. Die Menschen werden älter, derzeit ist rund ein Viertel 60 Jahre und älter. Fachhändler haben oft Probleme mit der Nachfolge und die sinkende wirtschaftliche Attraktivität erschwert die Suche. Doch manchmal fügt sich ein Steinchen zum anderen und schon beginnt ein neues Lebenskapitel.
Ähnlich verlief der Start bei Michael Samardjiev (39) und Lisa Marquardt (33). Der Frankfurter führte bis 2013 einen Gastronomiebetrieb, während seine Lebensgefährtin aus Ober-Ramstadt im Modebereich tätig war. Der Zufall wollte es, dass der Inhaber des Ladens („etwas zwischen Schreibwaren und Toto-Lotto- Laden“) im Elternhaus von Lisa Marquardt aus Altersgründen auf der Suche nach einem Nachfolger war.
Gleichzeitig suchte Michael Samardjiev nach einer neuen Herausforderung, die ihm mehr Zeit für die junge Familie erlaubte. „Ich war bereits zwölf Jahre selbstständig, aber ein Biergarten ist nicht gerade familienfreundlich.“ So übernahm das Paar das Inventar und die Waren. Es war der „Sprung ins kalte Wasser“. Die ersten Wochen nutzten die Beiden als Orientierungsphase. „Wir wollten einfach einmal sehen was passiert, denn eine Stammkundschaft war vorhanden“, erinnert sich Michael Samardjiev.
Als Seiteneinsteiger in die PBS-Branche eignete sich das junge Fachhandelspaar schnell entsprechendes Wissen an. Der bisherige Großhandelslieferant aus dem Umkreis half und versorgte den Schreibwarenladen nicht nur mit Waren, sondern auch mit viel Fachwissen. „Doch bald stellten wir fest, dass wir uns nicht so recht wohl gefühlt haben“, erzählt Lisa Marquardt. Es lag allerdings nicht an der Tätigkeit, oder an den Schreib- und Papierwaren – es war schlicht die Ladeneinrichtung, die „nicht zu uns passte.“
Schließlich holten sie sich professionelle Hilfe ins Haus – eine Empfehlung ihres Großhändlers Hofmann + Zeiher. Corrado Motta, der Spezialist für Verkaufsraumgestaltung mit Wohlfühlambiente, analysierte den Standort und entwickelte ein Konzept, das gefiel. Ober-Ramstadt liegt etwa zehn Kilometer südöstlich von Darmstadt entfernt an der B 426 im vorderen Odenwald. Dazu gehört auch der Stadtteil Modau mit seinen rund 2900 Einwohnern – insgesamt zählt die Stadt über 15 000 Menschen. Hier liegt das PBS-Fachgeschäft, das heute den Namen Papiri trägt, direkt an der Hauptstraße.
Vor einem Jahr hat das Ladengeschäft ein völlig neues Ambiente erhalten. Die Verkaufsfläche wurde auf fast 90 Quadratmeter verdoppelt. Neben einer Poststelle, Zeitschriften, Lotto und Tabak, verfügt das Schreibwarengeschäft sogar über einen Backshop. Abgesehen davon, dass der Duft zu Spontankäufen anregt, legen die Menschen auf dem Weg zur Arbeit nach Darmstadt oder Frankfurt jeden Morgen einen Stopp ein.
Sie kaufen ein süßes Schnittchen, ein Brot oder nehmen ihre Zeitung mit. „Das ist Frequenzbringer, auf den wir – solange die Nachfrage besteht, ungern verzichten möchten“, sagt Samardjiev. Daraus entstand auch die Idee, eine Ecke mit einem Kaffeetisch einzurichten. „Hier treffen sich unsere Rentner aus dem Städtchen, um sich bei einer Tasse Kaffee auszutauschen.”
Inzwischen ist auch das zweite Kind von Michael Samardjev und Lisa Marquardt auf der Welt. Das Töchterchen hat praktisch zwischen Grußkarten und Buntstiften das Laufen gelernt. „Papiri“ (den Namen hat sich Samardjiev sogar schützen lassen) hat sich so schnell zu einem Mehrgenerationen- Schreibwarenfachgeschäft entwickelt. „Die Kunden kaufen natürlich auch ein“, freut sich der Inhaber, „aber gleichzeitig sind sie auch liebgewordene Gäste.“ Und so schließt sich der Kreis wieder.
www.papiri.de