17.01.2020

Weiter so geht nicht mehr

Die Nachfrage nach Büroartikeln sinkt, Umsätze im Handel stagnieren und strukturelle Veränderungen erhöhen den Druck auf den PBS-Fachhandel. Die Soennecken eG ist – wie Vorstandsprecher Dr. Benedikt Erdmann bestätigt - gut auf die Herausforderungen vorbereitet.

Dr. Benedikt Erdmann, Vorstandssprecher der Soennecken eG, Overath.
Dr. Benedikt Erdmann, Vorstandssprecher der Soennecken eG, Overath.

Kurzer Blick zurück: Hätte sich die „weiter-so-Fraktion“ durchgesetzt – sprich kein Direktgeschäft, keine Lagererweiterung, kein Nordanex Systemverbund – wo stünde die Soennecken eG dann im Vergleich zu heute?
Da wo jedes Unternehmen stehen würde, das sich nicht den Erfordernissen der Zeit angepasst hat. Die Fachhandelslandschaft und die gesamte Branche haben sich in den letzten 20 Jahren so stark verändert, dass sich auch eine Genossenschaft verändern muss – oder auf die Dauer bedeutungslos wird.

Ein kleinwenig möchte ich bei Ihrer Frage aber dennoch intervenieren: wenn Sie von der „weiter-so-Fraktion“ sprechen, klingt das für mich nicht gut. Ich habe die umfangreichen Diskussionen vor allem um das Eigengeschäft als das Aushandeln von Interessen wahrgenommen. Mitglieder erwarten zurecht, dass sich die Genossenschaft um deren Interessen kümmert und nicht Eigeninteressen im Vordergrund stehen. Das ist nachvollziehbar. Wir haben also um den richtigen Weg miteinander gerungen und haben – so hoffe ich – einen guten gemeinsamen Weg gefunden. Letztendlich haben wir alle ein gemeinsames Ziel, nämlich eine gesunde Genossenschaft für gesunde Mitglieder. Über die Wege dorthin muss man schon mal etwas diskutieren.

Die Umwälzungen unserer Branche sind enorm und werden uns auch weiterhin beschäftigen. Wir werden einfach noch viel mehr für unsere Mitglieder tun müssen als in der Vergangenheit und müssen dafür Sorge tragen, dass wir dafür einen langen Atem haben und das erforderliche Geld verdienen.

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (J.W.v.Goethe). Die PBS-Branche steht vor großen Veränderungen, nicht alle Marktteilnehmer haben den Ernst der Lage erkannt. Es gibt allerdings nichts daran zu rütteln, im vergangenen Jahr (2019) ging die Nachfrage – bis auf die Büroeinrichtung – erstmals in allen Sortimentsbereichen durchweg zurück. Und das bezogen auf den Gesamtmarkt. Welche Vorsichtsmaßnahmen werden Sie für die Soennecken und Ihre Mitglieder ergreifen, auch wenn Sie bei Ihrer Umsatzentwicklung noch mit einem leicht „blauen“ Auge davon gekommen sind?
Konjunkturbedingte Umsatzrückgänge sind im Wirtschaftsleben etwas Normales. Wir begegnen dem durch Kundenakquisition, dem Aufbau neuer Marktsegmente und natürlich Sparsamkeit. Die strukturellen Veränderungen machen mir viel größere Sorgen. Und wenn sich nun diese bislang schleichenden Veränderungen etwas beschleunigen, hat das auch einen positiven Nebeneffekt: mit dem Handlungsdruck wächst die Veränderungsbereitschaft. Um es mit Jeff Bezos Worten zu sagen: „In Boom-Phasen ist es sehr schwierig, die Aufmerksamkeit der Menschen auf wichtige Dinge zu lenken.“

Sind die Zeiten vorbei, in denen die Rückvergütung eine sichere Bank für die Fachhändler war? Welche Auswirkungen hat in diesem Zusammenhang die Änderung Ihres Ausschüttungs- und Bonusmodells für die Mitglieder?
Keine. Unsere Ausschüttung soll sich nicht verändern. Wir haben nur das Bonusmodell dahingehend modifiziert, dass wir angesichts der konjunkturellen Unsicherheit einen Risikopuffer eingebaut haben. Wir haben anspruchsvolle Projekte und seit Mitte des Jahres eine schwierige Umsatzentwicklung; das können wir nicht ignorieren.

Aber ein Weiteres ist wichtig: In „grauer Vorzeit“ waren sogenannte Einkaufsgenossenschaften „Bonus-Sammel-Vereine“. Diese Zeiten sind bei Soennecken lange vorbei. Heute ist Soennecken eine Dienstleistungsgesellschaft, deren Aufgabe es ist, ihren Mitgliedern gute Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft zu bieten. Dazu gehört selbstverständlich eine gute Ausschüttung – aber nicht nur. Es stellt sich vielmehr die Frage, in welchem Maße wir auf eine Ausschüttung setzen und welche Bedeutung Dienstleistungen sowie eine technische und logistische Infrastruktur haben. Da auch wir den Euro nur einmal ausgeben können, müssen wir stets aufs Neue diskutieren und entscheiden, wieviel wir ausschütten und wieviel wir investieren.

Ich persönlich bin der Ansicht, dass wir eine angemessene Ausschüttung in Höhe der vergangenen Jahre leisten sollten und zudem – gegebenenfalls auch unter stärkerer Beteiligung der nutzenden Mitglieder – weiterhin in Logistik, IT und neue Märkte investieren sollten. Nur ist das kein Selbstläufer und auch mit gewissen Risiken verbunden. Daher planen wir vorsichtig – und das haben wir unseren Mitgliedern mitgeteilt.

Wo sehen Sie für sich noch Wachstumschancen, wenn das Markvolumen weiter rückläufig bleibt? Gibt es noch ausreichend „freie“ Fachhändler, die mit an Bord der Soennecken geholt werden können?
Diese Sichtweise ist recht defensiv. Ja, wie erwarten eine konjunkturelle Delle. Und es ist auch richtig, dass der PBS-Markt im engeren Sinne rückläufig ist. Definiert man aber Bürobedarf als den gesamten Bedarf in einem Büro – einschließlich Möbeln, IT, Lebensmittel u.v.m. ist der Markt riesig. Über neue Sortimente und weitere Angebote versuchen wir, Wachstum für unsere Mitglieder und damit auch für Soennecken zu organisieren. Das wird gelingen.

Aber es ist auch richtig, dass wir uns über neue Mitglieder freuen. Und wir bemühen uns auch darum, Fachhändler von Soennecken zu überzeugen, und wir haben guten „Zulauf“. Unsere Zukunft entscheidet sich aber nicht im Wettbewerb zwischen den Kooperationen, sondern im Wettbewerb um den Kunden und den richtigen Angeboten für unsere Mitglieder.

Nach langer Zeit steigen in 2020 die Logistikzuschläge für die Mitglieder und entsprechend auch für die Endkunden. Nur bei einem großen Versandhändler, der jetzt auch noch im B2B-Geschäft mitmischt, scheinen die Logistikkosten still zu stehen. Spielt hier die Macht der „Platform Economy“ eine Rolle und zahlen andere Marktteilnehmer die Zeche für Amazon mit?
Der Online-Handel – und allen voran Amazon – hat das Bestellverhalten der Kunden massiv verändert. Die Kunden bestellen häufiger, leider aber kleinere Mengen. Das kostet Geld. Wir können dies alleine dauerhaft nicht finanzieren und haben uns entschieden, unsere Mitglieder daran zu beteiligen.

Da es sich um eine strukturelle und dauerhafte Veränderung im Markt handelt, müssen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern sehr ernsthaft überlegen, was wir tun können. Es wird zu diskutieren sein, in welchem Umfang wir Endverbraucher an diesen Kosten beteiligen können und ob wir deren Bestellverhalten beeinflussen können. Auch unter ökologischen Gesichtspunkten ist dieser Trend zu Kleinstbestellungen schließlich nicht akzeptabel.

Für wie gefährlich halten Sie das Thema „Amazon Business“ für den genossenschaftlichen Fachhandel? Mit welcher Strategie wollen Sie hier gemeinsam mit Ihren Mitgliedern dagegen angehen?
Amazon ist für alle gefährlich – nicht nur für den Fachhandel. Die Stärke von Amazon ist die leidenschaftliche Kundenorientierung. Das können wir bzw. unsere Mitglieder aber auch.

Jeff Bezos hat gesagt: „Wenn Du Dich auf Deine Mitbewerber fokussierst, musst Du warten, bis sie handeln. Ein Schwerpunkt auf den Kunden erlaubt Dir hingegen, ein Pionier zu sein.“ Also kümmern wir uns um unsere Kunden, nicht um Amazon. Aber Sie sehen schon: Zwei Bezos-Zitate in einem Interview. Ein kluger Mann, den man ernst nehmen muss!

Wie wichtig sind für Sie die Regionaltagungen mit den Soennecken-Mitgliedern, die im März wieder in Berlin (24. März), München (25. März), Stuttgart (26. März) und Hamburg (27. März) und Overath (31. März) abgehalten werden?
Sehr wichtig. Eine Genossenschaft lebt für, mit und von den Mitgliedern. Die Tagungen sind inhaltlich wichtig – wir brauchen einfach Austausch und Gespräch – und die Treffen mit Mitgliedern sind auch persönlich stets bereichernd.

Die im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Impulsveranstaltungen haben sich zu einem besonderen Format entwickelt, die für sich jeweils bei den Teilnehmern eine positive und nachhaltige Wirkung hinterlassen haben (Barcelona, Floßbau Potsdam, Sylt). Nach der Generalversammlung in diesem Jahr am 26. Mai in Mainz – was kann da 2021 noch nachfolgen?
Es wird schwer, Sylt zu übertreffen. Das sollten wir auch gar nicht versuchen, sondern einfach etwas ganz anderes anbieten: 2021 werden wir uns in Kopenhagen treffen. Wir laden unsere Mitglieder und Lieferanten dazu ein, sich mit uns auf eine „digitale Reise“ in dieser skandinavischen Metropole zu begeben. Es wird eine aufregende und inspirierende Veranstaltung werden – und angesichts der Dunkelheit vor meinem Fenster freue ich mich schon jetzt auf Mitsommer in Kopenhagen.

Herr Dr. Erdmann, vielen Dank! (gia)

Dr. Benedikt Erdmann, Vorstand Soennecken eG: „Da auch wir den Euro nur einmal ausgeben können, müssen wir stets aufs Neue diskutieren und entscheiden, wieviel wir ausschütten und wieviel wir investieren.“

Dr. Benedikt Erdmann, Vorstandssprecher und Dr. Rainer Barth, Vorstand (von rechts), im Soennecken-Logistikzentrum Overath.
Dr. Benedikt Erdmann, Vorstandssprecher und Dr. Rainer Barth, Vorstand (von rechts), im Soennecken-Logistikzentrum Overath.