Beschwerdemanagement 16.04.2012
Beschwerden als Unternehmensressource
Die Einführung eines aktiven Beschwerdemanagements ist ein Schlüsselprozess. Dadurch lassen sich in einem immer identischer werdenden Markt neue Wachstumspotenziale erschließen.
Einige Firmen am Markt haben sich dazu entschlossen, Beschwerden nicht mehr nur passiv zu erleiden, sondern sich selbst aktiv in den Beschwerdevorgang einzubringen. Diesem aktiven Beschwerdemanagement als übergreifendes, alle Bereiche umfassendes System, möchten wir uns im dritten und letzten Teil unserer Reihe „Beschwerden als Erfolgsgarant” widmen. Ein aktives Beschwerdemanagement erfordert die Schaffung klarer Abläufe und Strukturen. Von der Beschwerdestimulierung, über die Beschwerdebearbeitung, bis hin zum Beschwerdecontrolling. Das ist kleinen Unternehmen genauso gut möglich, wie großen Konzernen, wobei die kleineren Unternehmen den Vorteil haben, deutlich schneller an die Umsetzung und Realisierung gehen zu können. Entscheidende Voraussetzung für die Einführung eines aktiven Beschwerdemanagements ist der erklärte Wille der Führungsverantwortlichen, die Beschwerden in der Zukunft als Unternehmensressource zu nutzen. In der Folge kann dann Schritt für Schritt mit der durchgreifenden, alle Bereiche umfassenden und strukturierten Einführung begonnen werden. Hierbei sind zu jedem Zeitpunkt zwei Schlüsselvoraussetzungen im Auge zu behalten: Dem Kunden muss es so leicht wie möglich gemacht werden, seine Beschwerde (oder eben auch nur einen Hinweis oder eine Information) vorzubringen. Gleichzeitig muss das Unternehmen über eindeutig definierte Prozesse verfügen, wie mit dieser Beschwerde umgegangen werden soll.
Bei tieferer Betrachtung wird unterschieden in den direkten Beschwerdemanagementprozess, also alles das, was dem Kunden unmittelbar zugewandt ist und den indirekten Beschwerdemanagementprozess. Letzterer beschreibt die Abläufe im Back-Office des Unternehmens. Beide Prozesse befinden sich in einem steten und unmittelbaren Austausch.
Beschwerdestimulierung – Viel hilft viel, aber nur an der richtigen Stelle
Unternehmen die denken, dass wenige Beschwerden gut und viele Reklamationen schlecht sind, haben die Systematik von Beschwerdeverläufen noch nicht erkannt und liegen mit dieser Annahme falsch. In einem ersten Schritt gilt es deshalb, das Beschwerdevolumen umfassend abzugreifen. Ihr Ziel muss es sein, dass sich möglichst viele der unzufriedenen Kunden bei Ihrem Unternehmen (und nirgendwo sonst) beschweren. Im Rahmen dieses ersten Schrittes werden gezielt die Beschwerdekanäle beziehungsweise Informationsportalegeöffnet. Hierbei kommen beispielhaft die Reklamationszettel genauso zum Einsatz wie aktive Beschwerdeerhebungen durch Kundenbefragungen, Mailingaktionen oder spezielle Web-Pages. Die moderne Marktforschung hat darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Erhebungsmöglichkeiten entwickelt.
Beschwerdeannahme – Jetzt kommts darauf an
Achtung, die Beschwerdeannahme ist in vielen Unternehmen der „wunde Punkt” im Gesamtprozess. Weder vorher noch hinterher können mehr Fehler gemacht werden. Es ist erfolgsentscheidend, dass der Kunde seine Beschwerde bei einem geschulten, handlungs- und kommunikationssicheren Mitarbeiter loswerden kann, der noch dazu autorisiert sein sollte, Entscheidungen zu treffen. Wichtiger Bestandteil des Beschwerdeannahmeprozesses ist das Entstehen von Beschwerdeeigentum. Das bedeutet in der Konsequenz, dass derjenige Mitarbeiter, der die Beschwerde entgegennimmt, auch grundsätzlich für die weitere Beschwerdebearbeitung zuständig ist. Die Umsetzung dieser Maßnahme ist der Erfolgsfaktor schlechthin. Mitarbeiter, die sich als Beschwerdeeigentümer fühlen, werden mehr und intensiver handeln, als Beschäftigte, die sich als Beschwerdeverwalter verstehen. Zugleich wird hierdurch dem leidigen Thema des Beschwerde-Ping-Pong („Ich bin nicht zuständig – gehen Sie zum Kollegen”) ein Ende gesetzt. Jeder Mitarbeiter, der Mitteilung über eine Beschwerde erhält, ist verantwortlich – hier und jetzt.
Beschwerdebearbeitung – Standards schaffen
Die Beschwerdebearbeitung umfasst alle internen Bearbeitungsschritte, wie Erfassung, Einordnung, Rückfragen, Schadensabschätzung, Datenerhebung etc., die zur Behebung der Beschwerde erforderlich sind. Für die Abläufe müssen dem Mitarbeiter klare Richtlinien an die Hand gegeben werden, damit jede Reklamation grundsätzlich nach dem gleichen Muster bearbeitet und einer Lösung zugeführt werden kann. Durch eine gezielte Standardisierung der Abläufe wird zugleich ein zentraler Störfaktor vermieden: Eine Ungleichbehandlung der Kunden. Gleichliegende Fälle werden mit vergleichbaren Lösungen versehen.
Beschwerdereaktion – Schaffen Sie Quick-wins
Auch für den Kunden selbst ist die Abgabe von Beschwerden ein unangenehmer Vorgang. Entsprechend seiner allgemeinen Lebenserfahrung rechnet der Kunde daher nach dem Vorbringen seiner Beschwerde eher mit einer unangenehmen Gegenreaktion. In einem ersten Schritt gilt es diesen Erwartungen nicht gerecht zu werden, sondern vielmehr zu zeigen, dass Beschwerden in Ihrem Unternehmen höchst willkommen sind. Überrascht von dieser Reaktion werden viele Ihrer Kunden einer gemeinsamen Problemlösung offen und kompromissbereit gegenüberstehen. Gemeinsam mit dem Kunden gilt es nun, eine Lösung für den Beschwerdevorgang zu finden. Hier, jetzt und gleich. Schaffen Sie kleine „Quick-Wins”. Kunden verstehen, dass große Probleme nicht sofort gelöst werden können. Sie haben aber kein Verständnis für verschleppendes oder bürokratisches Handeln, bei kleinen Schwierigkeiten oder Missstimmungen.
Beschwerdeauswertung – Arbeit fürs Back-Office
Die Beschwerdeauswertung ist Teil des indirekten Beschwerdemanagement- Prozesses und ist im Back-Office-Bereich angesiedelt. Hierbei erfolgt die systematische Kategorisierung und Auswertung aller eingegangenen Reklamationen mit dem Ziel, Brennpunkte und Beschwerdehäufungen zu erkennen. Dies ist durchaus mit einfachen Strichlisten oder Notizen möglich. Darüber hinaus führen gute Kundenverwaltungsprogramme bereits bei der Eingabe der Reklamation im Online-Erfassungsformular eine automatisierteBeschwerdekategorisierung durch, so dass aufwändige Nacherfassungen entfallen und eine einfache Beschwerdeauswertung erfolgen kann. Durch die hier erlangten Informationenlassen sich kurzfristig neuaufkommende Problembereiche erkennen, noch bevor diese zu einem wirklichen Problem werden.
Beschwerde-Controlling – Wissen schaffen
Grundsätzlich ist das Controlling eine Standardmaßnahme in deutschen Unternehmen. Größere Firmen leisten sich hier sogar einen eigenen Controller, doch es geht auch ohne ihn. Wichtig ist es, das Controlling nicht auf den wirtschaftlichen Bereich zu beschränken, sondern auch die aufkommenden Beschwerden zu controllen. Dieser Gedanke ist für viele Unternehmen bislang noch neu, aber nur auf diesem Wege lassen sich Zielabweichungen und Problemstellung zuverlässig erkennen.
Check – Abschluss und Neubeginn in Einem
Den Abschluss des Gesamtprozesses bildet der Check, der zugleich Abschluss aber auch Neubeginn ist. Im Rahmen des Checks werden die Informationen zwischen dem direkten und indirekten Beschwerdemanagement übertragen. Dieser Schritt ist erforderlich, um einen Abgleich zu erhalten, ob das Problem behoben oder noch virulent ist. Ausgestattet mit diesem Datenmaterial werden die gefundenen Lösungen und Optimierungsprozesse geprüft und auf die Bedingungen des Unternehmensalltags übertragen. Hier werden sie standardisiert und als Handlungsmuster für alle Mitarbeiter eingeführt. Zugleich ist der Check auch der Neustart für die Beschwerdestimulierung.
Fazit: Die Einführung eines aktiven Beschwerdemanagements ist ein Schlüsselprozess. Damit lassen sich in einem immer identischer werdenden Markt Differenzierungsmöglichkeitenund weitere Wachstumspotenzialeerschließen.Darüber hinaus lässt sich mit einem erfolgreichen Beschwerdemanagementganz nebenbei noch ein zusätzlicherfinanzieller Ertrag sichern. Dies belegte beispielsweise die Untersuchung eines großen britischen Reiseveranstalters: In einem Revisionsbericht wurde festgestellt, dass 85 Prozent der Kunden mit der Beschwerdereaktion ihres Reiseveranstalters nicht zufrieden waren. Dies wirkte sich unmittelbar auf die Kundentreue aus und verursachte einen Schaden von 280 Millionen Pfund pro Jahr. Es gibt also nur eine Folgerung: Nutzen auch Sie die Möglichkeiten in Ihrem Unternehmen, Sie können nur gewinnen.
Zum Autor: Ralf Würtenberger, Diplomverwaltungswirt, arbeitet seit mehreren Jahren erfolgreich mit namhaften Unternehmen und Fitness-Studios zusammen und ist auf die Durchführung von Veränderungsprozessen, Marktforschung sowie die von ihm entwickelte ganzheitliche Studiobefragung spezialisiert. Er ist Experte für die Bereiche Organisations-/ Führungswissenschaften, Motivation und Teambildung. Begleitend zu den Berichten stellt der Autor den Lesern die Infomappe „In 10 Steps zur Einführung eines aktiven Beschwerdemanagements” zur Verfügung. Diese kann unter info@institut-wuertenberger.de angefordert werden.
Weitere Informationen finden Sie im Internet unter www.institut-wuertenberger.de